Als Selbstständiger und Unternehmer gibt es keine Work-Life-Balance. Die Selbstständigkeit ist Work und Life in einem.
Als Selbstständiger oder Unternehmer hast Du die Freiheit, Deinen Zeitplan selbst zu gestalten. Das ist ein großer Vorteil, bedeutet aber auch, dass Du selbst dafür sorgen musst, dass Du alles erledigen kannst. Viele Selbstständige und Unternehmer beschäftigen sich deshalb mit To-do-Listen und Zeitmanagement Methoden, um ihren Tag zu strukturieren. Schon als angestellte Führungskraft habe ich das ebenfalls getan. Kannte ich das doch schon von den Projektmanagementtools und Vorgehensweisen meiner IT Projekte. Aber meinen Alltag und meinen Terminkalender hat das nicht leerer gemacht, auch nicht als ich mich für die Selbstständigkeit entschieden habe.
Mit Stolz habe ich damals in meinem dritten Jahr der Selbstständigkeit erzählt, wie viel Urlaub ich dieses Jahr genommen habe. Meine Frau meinte dann nur lapidar: „Die Fortbildungen musst Du aber abziehen. Das sind keine Urlaube.“ Tja, gesagt, getan und schon blieben dann noch 8 Urlaubstage übrig. Für mich habe ich dann entschieden einen eigenen Urlaubsplan aufzustellen und mir wie früher als Arbeitnehmer 30 Tage Urlaub einzuplanen. Das war zumindest ein guter Anfang.
Auch wenn die Arbeit als Selbstständiger oftmals erfüllender ist, so ist Arbeit und Freizeit trotzdem getrennt. Allgemein sprechen wir von einer ausgewogenen Work-Life-Balance. Das war mir aber immer zu kurz gefasst. Ich trenne nicht Work und Life, da für mich auch die Arbeit das Leben ist. Dennoch kann ich mittlerweile die Freizeit genießen – Arbeitszeit ist einfach keine Freizeit, egal, wie erfüllend die Arbeit ist.
Früher haben mich immer Stress und Druck davon abgehalten, das Arbeitsleben zu kürzen. Ich habe mir immer eingeredet, dass ich mehr Freizeit einfach nicht brauche. Weil ja eben meine Arbeit auch mein Leben ist. Spätestens meine Frau zeigte mir dann auf, dass Arbeit und Privatleben doch voneinander getrennt gehören. Denn bei zu viel Arbeit blieb zu wenig Zeit für unsere gemeinsamen Unternehmungen. Und ein schönes Essen in einem teuren Lokal macht die Abwesenheit unter der Woche nicht ungeschehen. In den Augen meiner Frau sahen die Einladungen eher als Entschuldigung aus. Das führte regelmäßig zu Streit – zurecht aus der Sicht meiner Frau. Ich durfte lernen nicht nur Urlaub sauber einzuplanen, sondern auch die Auszeiten unter der Woche aktiv zu gestalten. Was jetzt so einfach klingt, war wirklich harte Arbeit für mich. Hatte ich mich doch stark über die Arbeit definiert. Ein voller Terminkalender war für mich, wie eine Bestätigung, dass ich es geschafft hatte. Zudem wollte ich noch mehr erreichen. Also kam zu der eigentlich Tätigkeit noch die Planung der zukünftigen Schritte dazu. Einen Grund am Schreibtisch zu sitzen, hatte ich schneller an der Hand als einen Grund abzuschalten. Den Arbeitsalltag zwischendrin mit Pausen aufzulockern, musste von mir wirklich selbst eingefordert werden. Doch wie mache ich das?
Wenn ich ein Unternehmen aufbauen will, sollte ich gerade am Anfang schnell sein. Denn zu einem sollte sich das Unternehmen so schnell wie möglich selbst tragen und zu dem sollte ich schneller sein als meine Mitbewerber. Als Selbstständiger ist das nicht anders. Damit war es für mich auch normal, selbst am Sonntag am Smartphone und Laptop zu hängen. Wenn Du gesund bist und eine gute Partnerschaft hast, ist das auch kein Thema. Zumindest eine Zeit lang. Irgendwann muss das aber ein Ende haben. Sonst bricht Deine Partnerschaft und auch Deine Gesundheit. Es bleibt nur die Wahl, was zuerst bricht. Bei mir war es fast beides zur gleichen Zeit.
Ich hatte mich ja durch die Arbeit und den Erfolg definiert. Damit war jeder Tag ein Arbeitstag. Das war dann Raubbau am Körper. Je mehr ich dies getan habe, je unzufriedener wurde auch meine Frau. Im Nachhinein vollkommen richtig. In dem Moment habe ich das aber nicht gesehen. Immer mehr kamen wir darüber ins Streiten. Sie warf mir vor nur noch am Computer zu sitzen und ich hatte die Entschuldigung es doch nur für uns zu tun. Was für eine praktische Entschuldigung. Damals musste ich lernen, dass wir Menschen größere Veränderung nur angehen, wenn das „Weg von“ und das „Hinzu“ groß genug ist. Der Weg von einer bestehenden Situation hin zu einer anderen, besseren Situation. Durch die immer größere Unzufriedenheit bin ich dann bei einem Persönlichkeitsworkshop gelandet. Dort hatte ich noch das große Glück einem Mann zuzuhören, der fünf Jahre älter war als ich und ein verwandtes Leben hatte. Er hatte allerdings erst angefangen, deutlicher zu überlegen, als er einen Herzinfarkt hatte. Das war für mich der letzte Wachrüttler, dass sich bei mir unbedingt was verändern musste. Die Urlaubstage allein reichten nicht. Es musste eine andere Einstellung zur mir selbst her. Eine Einstellung, dass ich es mir wert bin zu regenerieren, dass ich es mir wert bin, selbst das Wichtigste im Leben zu sein.
Meine To-do-Liste für die Freizeit sieht heute so aus:
- Plane Urlaub fest ein. Mindestens so viel, wie Du Deinem besten Mitarbeiter gibst.
- Du bist erfolgreich, wenn es Dir gesundheitlich gut geht. Sorge dafür.
- Die privaten Belange sind genauso wichtig wie jedes andere Projekt.
- Nehme jede Kritik Deiner Frau ernst und prüfe sie genau.
- Sei Dir immer Deiner eigenen Grenzen bewusst oder mache sie Dir bewusst.
Damit diese Liste erfolgreich ist, hat es bei mir viel Arbeit und noch mehr Freiheit benötigt. Die Freiheit mir selbst das wichtigste zu sein ohne daraus einen Egotrip zu machen. Genau auf meine Bedürfnisse zu achten und auch jedes körperliche Befinden wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Wer seine Arbeit schätzt, braucht mehr Struktur für seine Freizeit. Wie Du an meinem Weg gesehen hast, bedeutet das insbesondere eine gesunde und offene Einstellung zu sich selbst.
Wie kannst Du jetzt weiter machen? Ich hätte hier ein paar spannende Herausforderungen für Dich, um Deinen Weg herauszufinden:
- Sage relativ kurzfristig einen Kundentermin ab, um Dir freizunehmen.
- Mach mindestens einmal die Woche eine ausgedehnte Mittagspause. Am besten die dreifache Zeit von der jetzigen Pausendauer.
- Plane in einen großen Urlaub von mindestens vier Wochen. Sechs Wochen wären noch besser.
- Erstelle Dir einen Urlaubskalender wie für einen Mitarbeiter.
Wenn das für Dich klappt, bekommst Du ein Gefühl, was Freizeit ist. Noch besser ist sogar, dass Du feststellen wirst, wo es für Dich schwierig ist. Wenn bei einem der Punkte oder sogar bei mehreren bei Dir ein innerer Aufschrei kam, wie: „Das geht gar nicht!“, dann weißt Du, dass genau, dass das Richtige für Dich ist. Denn dann liegt genau dort nicht ein methodischer Punkt, sondern ein emotionaler Punkt. Genau da, wo ich damals durchgegangen bin. Weg von dem Gedanken, dass ich unersetzlich bin. Weg von dem Gedanken, dass dies oder jenes nicht geht, weil meine Kunden oder wer auch immer da nicht mit macht. Meine Mentorin z.B., die ebenfalls Unternehmerin ist, macht jedes Jahr im Winter zwei bis drei Monate Urlaub. Hier dachte ich auch, dass ich das irgendwann mal machen werde. Aber ohne das Herantasten, ohne die persönliche Arbeit an mir wäre das nie geschehen. Mir wäre ja immer eine Ausrede eingefallen, warum das bei mir nicht geht.
Wenn Du merkst, dass Du Ausreden findest, warum das nicht geht und Du der Ursache der Ausrede nicht auf den Grund kommst, mache einen Termin mit mir aus. Wir finden die Lösung da, wo Du noch nie gesucht hast.
https://stefan-brutscher.com/kontakt/
Ansonsten wünsche ich Dir viel Spaß bei der neu gefundenen Freiheit mehr Freizeit zu genießen.